[2003
RELOADED] CD-RELEASE 'lang
gekracht
You can't make a painting without breaking eggs!.
JOHN BISSET, 1997
Mitte der 60er Jahre soll John Cage sinngemäß geäußert haben, daß alle experimentellen
Musiker des 20. Jahrhunderts auf die zeitgenössischen Kollegen der malenden Zunft
angewiesen seien - da waren seit Veröffentlichung von
Ornette Colemans Free Jazz gerade mal sechs oder sieben Jahre vergangen,
eine Schallplatte, auf deren Cover Jackson
Pollocks Gemälde White Light von 1954 wie ein Manifest prangte.
Seit dem muß viel passiert sein,
jedenfalls [und wenn auch nur] in der Musik. Improvisation in ihrer 'befreiten'
Form hat offenkundig eine eigenständige und breitgefächerte Musikszene hervorgebracht,
deren jüngsten Akteure mittlerweile die fünfte Generation bilden. Diese Szene
scheint von einer Innovationskraft, wie John Cage sie seinerzeit den bildenden
Künstlern zuschreiben mochte. Und sie verfügt wie keine andere über Freiheit,
Material und geistigen Raum, um andere Künste gleichberechtigt einzubinden.
Interdisziplinäre Momente in solchem
Kontext habe ich in Ausprägungen erfahren dürfen, die man sonst nur als utopisch
abtut: es ist Anarchie, die bis ins Ergebnis überzeugend funktioniert. Natürlich
setzt das ein hohes Maß an Toleranz, Respekt und Umsicht voraus. 'lang
gekracht ist Dokument eines utopischen Moments - sowohl als Malerei,
wie auch als Musik. Zeitgleich in ursächlichem Zusammenhang entstanden, tragen
beide Ergebnisformen die Kraft in sich, alleine bestehen zu können.
Die Qualität meines Bildes verdanke
ich zu großen Teilen den beiden Musikern - oder anders ausgedrückt: Hans Schneider
und Joachim Zoepf haben eindeutig mitgemalt. Schaue ich über den Bilder- und CD-Rand
hinaus, muß ich feststellen, daß uns eine Arbeit von vitalem Eigenleben gelungen
ist, mit Ecken und Kanten, mit reichlich visuellem und akustischem Eigencharakter.
Beides mag Geschmacksache sein, eines sei unbestritten: solche interdisziplinären
Momente gelingen eher selten.
Wie mal eine Londoner Lyrikerin
im Anschluß an einen interdisziplinären Auftritt wortspielend bemerkte: It's live-tempered,
isn't it?
Berlin, März 2003
You can't make a painting without breaking eggs!.
JOHN BISSET, 1997
In the mid-sixties John Cage suggested
that all experimental musicians should relate their work to the visual artists
of the 20th Century. This was at a time when
Ornette Coleman's Free Jazz had been released about six years previously
- a record whose cover featured Jackson
Pollock's painting White Light from
1954 - like a manifesto.
Since then quite a lot has happened.
Improvisation in its 'liberated' forms developed an independant and widespread
music scene, coming now to its fifth generation. It seems this scene has the strength
of innovation which John Cage expected to be in visual arts during his decade.
And like no other, it offers the freedom, materials and spiritual horizons most
suited to uniting the different arts.
I have had the honour to take part
in interdisciplinary moments of such context. It is anarchy that works - with
proper results, given the prerequisites of tolerance, respect and prudence. 'lang
gekracht is a document of Utopia - as painting as music. Created in realtime,
while rooted in a common inspiration, both results carry the strenght to stand
on their own.
The qualities in my painting reflect
those of the musicians - in other words: Hans Schneider and Joachim Zoepf obvisiously
took part in painting. Looking far over the edges of canvas and CD I can recognize
a vital artwork of remarkable visual and acoustic character.
Just
like someone from a London audience noticed: It's live-tempered, isn't it?
Marcus
Heesch
Berlin, in March 2003